Predigt zu Johannes 5, 1-3 und 5-14 anlässlich einer Silbernen Konfirmation
Sie als Silberne Konfirmanden sind jetzt fast oder gerade 40 Jahre alt. Das ist …
… ein schönes Alter. Mit 40 steht man mitten im Leben, ist voller Lebenskraft und Energie. Man kann zurückblicken auf das, was man erreicht hat im materiellen und beruflichen Bereich, hat Beziehungen aufgebaut in Freundschaften und Familie und hat das Gefühl, noch viel Kraft zur weiteren Gestaltung des Lebens zu haben.
… ein schwieriges Alter. Ab dem 40. Lebensjahr wird die körperliche Leistungskraft nicht besser. Mit 20 kann man noch von einer Sportlerkarriere träumen, mit 40 kann man das vergessen. Jetzt, wo alles, erreicht ist, was soll da noch kommen? Sicherlich kann man noch Urlaubsreisen planen, auf eine Beförderung hoffen und dann auf Enkelkinder und den Ruhestand warten. Aber kommt noch etwas grundsätzlich Neues, etwas Aufregendes, vielleicht ein Abenteuer? Irgendwie möchte man es vielleicht, aber man ist ja auch vorsichtiger geworden, denn was man hat, möchte man nicht auf´s Spiel setzen. Man hat ja auch schon einige schlechte Erfahrungen, Enttäuschungen und seelische Verletzungen hinter sich. So schnell lässt man sich nicht auf etwas Neues ein, auf neue Freundschaften, einen Berufs- oder Wohnortwechsel. Die Sicherheiten, die man aufgebaut hat, soll man die wieder verlassen?
… das Alter der Midlifecrisis. Ich will es mal so deutlich sagen. In diesem Alter entscheidet sich, ob ihr Leben noch einmal so richtig Fahrt aufnimmt oder ob sie als „Scheintote“ nur noch dahin vegetieren. Scheintod zu sein bedeutet, dass wir nur noch alles bewahren, was wir erreicht haben, aber es kommt nichts Neues mehr. Leben bedeutet dagegen Veränderung, ein Kribbeln spüren, etwas gestalten, sich auf ein Abenteuer einlassen und auch ein Risiko nicht scheuen.
Die Frage, die uns heute beschäftigt, lautet: Was kann uns die Kraft geben, das Leben immer wieder neu in Angriff zu nehmen, positiv zu gestalten und Herausforderungen annehmen? Was gibt uns die Kraft zum Leben?
Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte aus der Bibel vorlesen, aus Johannes 5, 1-14:
1 Bald darauf war ein jüdisches Fest und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. 2 Am Schaftor in Jerusalem befindet sich ein Teich mit fünf offenen Hallen. Auf Hebräisch wird er Betesda genannt. 3 Eine große Anzahl von Kranken lag ständig in den Hallen: Blinde, Gelähmte und Menschen mit erstorbenen Gliedern. 5 Unter ihnen war auch ein Mann, der seit achtunddreißig Jahren krank war. 6 Jesus sah ihn dort liegen. Er erkannte, dass der Mann schon lange unter seiner Krankheit litt, und fragte ihn: »Willst du gesund werden?« 7 Der Kranke antwortete: »Herr, ich habe keinen, der mir in den Teich hilft, wenn das Wasser sich bewegt. Wenn ich es allein versuche, ist immer schon jemand vor mir da.« 8 Jesus sagte zu ihm: »Steh auf, nimm deine Matte und geh!« 9 Im selben Augenblick wurde der Mann gesund. Er nahm seine Matte und konnte wieder gehen. Der Tag, an dem dies geschah, war ein Sabbat. 10 Einige von den führenden Männern sagten deshalb zu dem Geheilten: »Heute ist Sabbat, da darfst du deine Matte nicht tragen!« 11 Er antwortete: »Der Mann, der mich geheilt hat, sagte zu mir: ‚Nimm deine Matte und geh!’« 12 Da fragten sie ihn: »Wer ist es, der dir so etwas befohlen hat?« 13 Aber er konnte keine Auskunft darüber geben; denn Jesus hatte den Ort wegen der vielen Menschen schon wieder verlassen. 14 Später traf Jesus ihn im Tempel und sagte: »Hör zu! Du bist jetzt gesund. Tu nichts Unrechtes mehr, sonst wird es dir noch schlimmer ergehen.«
Der Mann wollte Veränderung aus seiner Situation.
Die augenblickliche Situation behinderte seine Entfaltung. Er wollte offen durch´s Leben gehen können. Aber es gab niemand, der ihm helfen konnte. Woher sollte er die Kraft für ein neues Leben nehmen. Aus sich selbst heraus hatte er diese Kraft auch nicht. Das wusste er seit 38 Jahren. Nun kam jemand, der seine Situation erkannte und ihn darauf ansprach. Würde er ihm eine Chance geben können? Die Hoffnung keimte auf, vielleicht kann der mir die Kraft zur Veränderung, zu neuem Leben geben, ein Wunder an mir tun, ein Wunder am Körper und an der Seele. Er lässt sich darauf ein, denn er will das neue Leben und bekommt von Jesus die Möglichkeit dazu.
Aber nun tauchen auch gleich die Hindernisse auf:
Als erstes seine eigene Resignation:
Ich komme immer zu spät, die anderen schaffen es, ich nicht und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, der hat keine Chance. Als Jesus ihn anspricht, denkt er nur an seine eigenen Möglichkeiten und seine schlechten Erfahrungen. Er glaubt noch nicht, dass Jesus ihm ganz persönlich eine neue Chance eröffnet. Es sind gleich zwei Dinge, die ihn hindern: zum eine seine alten Erfahrungen, denn er kann nur in seinen eingeschränkten Möglichkeiten denken. So laufen wir auch oft mit Scheuklappen herum, sehen nur unsere Möglichkeiten und denken gar nicht, dass es für Gott noch ganz andere Wege gibt. Zum anderen sein Vergleich mit den anderen. Er kennt ja auch nur sich selbst mit seinen Möglichkeiten und die anderen mit ihren Möglichkeiten. Aber der Vergleich tötet, deprimiert und macht resigniert, weil wir dann meistens nur sehen, dass andere es schaffen und wir nicht. Der Vergleich mit anderen macht uns blind für unsere eigenen Chancen durch Jesus, macht uns lahm voran zu gehen und auf die Möglichkeiten Gottes zuzugehen.
Das zweite Hindernis sind die anderen Menschen.
Sie wollen die Veränderung ja nicht unbedingt, denn für sie ist so alles in Ordnung, wie es ist, und jede Veränderung bedeutet für sie Verunsicherung und eventuell Gefahr. Nehmen wir nur ein paar Beispiele:
Eine Hausfrau will plötzlich berufstätig werden, was zu einer Verunsicherung für Ehemann und die Kinder führen kann, denn für sie ändert sich ja auch etwas.
In der Familie fängt jemand an, sonntags zum Gottesdienst zu gehen, was den Rest der Familie verunsichern kann, denn sie können sonntags um 10 Uhr nicht mehr gemeinsam frühstücken und müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, warum sie selber nicht mitgehen.
Im Freundeskreis geht jemand eigene neue Wege und nimmt nicht mehr regelmäßig an den Freundestreffen teil, was die anderen verunsichert und Angst macht, denn irgendwie verändert sich das gewohnte Miteinander und die ungeschriebenen festgefügten Regeln scheinen nicht mehr zu gelten.
„Die anderen Menschen“ können einen Menschen gefangen halten und ihn daran hindern, sich zu verändern.
Die Reaktion auf solche Verunsicherung geschieht oft durch moralische Appelle, nicht als Angriff, sondern fürsorglich mit dem Ziel, dem, der sich verändern will, ein schlechtes Gewissen zu machen und die Veränderung zu stoppen. Die Pharisäer machten deutlich: Was du tust, darfst du nicht. Wer dir das gesagt hat, der muss nicht ganz in Ordnung sein. Heute heißt es dann oft: Ist dir die Freundschaft oder die Familie mit uns nichts mehr wert. Du musst doch für deine Freunde oder Familie da sein. Das sind nur einige Beispiele, die eine Veränderung in uns verhindern können, in uns und durch andere.
Nun ist ja nicht jede Veränderung an sich schon gut. Es gibt ja auch Veränderung zum Schlechten.
Da fährt jemand zum Beispiel jemand zur Kur, um den Körper zu erholen, und plötzlich verändert sich das ganze Leben, weil er oder sie einmal drei Wochen aus seinem, bzw. ihrem Alltagstrott herausgekommen ist und sich dabei auf ein Abenteuer mit einem „Kurschatten“ eingelassen hat. Oder jemand ist in psychotherapeutischer Behandlung und ist nachher der totale Egoist, weil er nur noch an sich denkt. Oder jemand lässt sich einfangen durch merkwürdige Weltanschauungen, Sekten oder Esoterik, die ihm oder ihr plötzlich Sicherheit geben.
Die Frage ist, wenn es um Veränderung in meinem Leben geht, wem vertraue ich da?
So stehen Sie auf dem Markt des Lebens mit der Entscheidung: Soll alles so bleiben oder wem vertraue ich mich an?
Hier ist die Einladung: Vertraue Jesus!
Vertraue ihm, dass er dich befreit von den Hindernissen, in dir und bei anderen; dass er dir einen neuen Weg zeigt in seiner Nachfolge; dass er dir neue Kraft gibt und die Geborgenheit, um diesen Weg zu gehen. Aber Jesus sagt auch: Wenn du dich auf diesen Weg mit mir einlässt, dann geh weiter und kehre nicht wieder um.
So muss man auch mit 40 und auch mit 60 oder in einem anderen Alter nicht nur darauf bedacht sein, das Erreichte zu bewahren, sondern lernen, neu zu leben.