Predigt zu Jesaja 42, 1-9 am 1. Sonntag nach Epiphanias
Es geht oft ganz schön ungerecht in der Welt zu! Haben Sie sich schon einmal ungerecht behandelt gefühlt?
Der eine kann sich abstrampeln, wie er will, zum Beispiel in der Schule, am Arbeitsplatz oder in Beziehungen, er kommt nicht voran; erhält keine guten Noten, wird nicht befördert und nicht akzeptiert, obwohl er auch seine Leistung bringt. Und ein anderer kann sich alles erlauben, ihm fällt alles so zu, weil er immer gleich gute Beziehungen nach oben hat.
Menschen bekommen ihr Recht nicht oder werden bei der kleinsten Kleinigkeit bestraft, und andere dürfen sich alles erlauben und es passiert nichts.
Menschen werden unterdrückt, ausgebeutet, gemobbt oder sogar abgeschlachtet und die Täter können sich noch als erfolgreich feiern lassen.
Diese Liste der Ungerechtigkeiten kann man noch lange fortsetzen.
Aus der Beobachterrolle kann man über alles nüchtern und sachlich reden, aber wenn man selbst ganz tief davon betroffen ist, dann bleibt oft nur Verzweiflung, Wut, Resignation und der Wunsch nach ein bisschen Gerechtigkeit. Ich habe das selbst so erlebt und auch bei sehr vielen Menschen mitbekommen.
Wie nehmen wir und die betroffenen Menschen den Text von heute aus Jesaja 42, 1-9 auf?
1 Siehe, das ist mein Knecht, den ich halte, und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. 2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. 3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. 4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung. 5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Atem gibt und Lebensodem denen, die auf ihr gehen: 6 Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand. Ich habe dich geschaffen und bestimmt zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, 7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. 8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. 9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es sprosst, lasse ich’s euch hören.
Dieser Abschnitt gehört zum Buch des zweiten Jesaja.
Das Volk hatte lange unter der Gefangenschaft und Unterdrückung durch die Babylonier gelitten. Viele Jahrzehnte hatten viele Israeliten in der Fremde leben müssen und in Israel herrschte Armut. Viele Dörfer und Städte, auch Jerusalem mit dem Tempel waren zerstört. Das Volk lag am Boden. Und die meisten von denen, die jetzt lebten hatten mit dem Unheil, das über das Volk hereingebrochen war, gar nichts zu tun gehabt. Das lag Jahrzehnte zurück und sie waren später geboren. Sie mussten leiden: Armut, Ungerechtigkeit, keine Rechte – und das alles ohne eigenes Verschulden. Wo gab es für sie Frieden und Gerechtigkeit, einen Lebensraum, wo sie sich in Frieden entfalten konnten?
Nun erhalten sie durch den Propheten diese Verheißung Gottes.
Hier ist vom Knecht Gottes die Rede.
Dies ist eins der sogenannten Gottesknechtslieder bei Jesaja.
Wer ist mit dem Gottesknecht gemeint? Wer soll das im Auftrag Gottes tun? In der Forschung gibt es darüber unterschiedliche Meinungen, ob eine Einzelperson gemeint ist oder das ganze Volk Gottes oder ein zukünftiger Messias. Ich denke, diese Frage ist gar nicht so wichtig, sondern entscheidend ist, wer hier handelt: Gott selbst hat etwas vor. Er hat einen Plan. Er will etwas tun!
In einer Gemeinde haben wir einmal einen langen und intensiven Bibelkurs durchgeführt und dabei als „roten Faden“ durch die Bibel Gottes Heilsplan für das Volk Israel und die ganze Menschheit entdeckt: Gott selbst tut alles, um wieder Heil zu schaffen, nachdem die Menschen sich von Gott abgewendet haben, eigene Wege gegangen sind und so das Unheil in die Welt gebracht haben.
Der Knecht Gottes ist der, der sich dafür zur Verfügung stellt, Gottes Heils-Plan mit dieser Welt umzusetzen.
Das waren damals das Volk Israel oder einzelne Menschen im Volk. Das war Jesus als der vollkommene Knecht Gottes und das können wir heute sein, als Christen, die sich Gott zur Verfügung stellen.
Interessant ist, wie dieser Knecht Gottes, das Werkzeug Gottes wirkt:
Hier heißt es von ihm:
„Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.“ Er ist kein Herrscher, der durch laute Rufe gerechtes Leben anordnet; der laut bekannt gibt, dass jetzt Gerechtigkeit geschehen wird und dass er das durchsetzen wird; auch keiner, der die Klage über die Ungerechtigkeit in der Welt hinausschreit, sondern er ist der, der einfach Gerechtigkeit leben wird. Er wird es tun. Er wird Liebe geben, Menschen helfen, jedem den gleichen Wert geben. Den glimmenden Docht wird er nicht zerstören, nicht den Stab brechen über Menschen, nicht über uns und nicht über andere. Wo noch ein bisschen Hoffnung ist, wird er sie erhalten, und wo noch ein bisschen Sehnsucht ist, wird er sie retten, auch in dem bösesten Menschen.
So sagt Jesus von sich selbst: Ich bin nicht gekommen zu richten, sondern um zu retten. Überall, wo Menschen mit ihm zu tun haben, werden sie bei ihm Gerechtigkeit und Frieden finden.
So werden Menschen erleben, dass es bei aller Ungerechtigkeit in der Welt, bei Gott Gerechtigkeit und Frieden gibt, Ruhe für die geschundene Seele.
Das wird so lange so sein, bis Gott das Recht in vollkommener Weise aufrichten wird, bis es auf der Erde keine Ungerechtigkeit mehr gibt. Gott selbst wird eingreifen und das tun.
Gott kennt das erlittene Unrecht und Gott wird handeln. Gott wird alles neu machen. Das ist die Botschaft des Jesaja. Das gab den Menschen im Volk Israel Hoffnung mitten in dem zerstörten Land, mitten im Erleiden von der Ungerechtigkeit dieser Welt. Das kann jedem Hoffnung geben, der sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnt, auch wenn diese Sehnsucht nur noch ein bisschen glimmt und die Resignation und Verzweiflung zu siegen scheint.
Kann man dieser Zusage trauen und allein deshalb voller Hoffnung sein, auch wenn vieles im Leben sonst mir sagt, dass es keinen Grund gibt, hoffnungsvoll zu sein?
Es fällt schwer, wenn man auf die Geschichte der Menschheit schaut. Was hat sich denn verändert, ist die Welt besser geworden? Sie ist anders geworden, aber nicht besser.
Es kann leichter fallen, wenn wir auf Christus sehen, wie er gelebt hat. Wenn so die ganze Welt wäre, dann gäbe es nur noch Gerechtigkeit. So ist es bei Gott. Wir können Zuversicht gewinnen, wenn wir auf Menschen sehen, die einfach nur Jesus nachfolgen wollen, mit aller ihrer Unvollkommenheit etwas davon gelebt haben.
Wenn Sie einen Strauß Rosen bekommen von einem Menschen, der Sie liebt, dann sind die Rosen wie ein schöner Liebesbrief. Es macht Sie glücklich und gibt Hoffnung. Und wenn Sie mit diesem Menschen zusammen sein können, dann wird es noch schöner.
So gibt Gott uns den Liebesgruß in seinem Knecht, Jesus Christus, einen sehr großen und schönen Liebesbrief. Und er gibt uns viele kleine Liebesgrüße durch Menschen, die in seinem Sinn handeln.
Sie machen das Leben hier ein wenig schöner; sie geben Hoffnung, dass es, wenn wir ganz mit Gott zusammen sind, noch viel schöner wird. Gott schickt uns solange diese Grüße, bis er die Gerechtigkeit vollkommen aufrichten wird, in der Hoffnung, dass wir ihm vertrauen, dass er es tun wird.
Die Frage ist: Glaube ich das, dass die Liebesgrüße Gottes ein Hinweis sind auf das, was Gott einmal vollkommen in der Ewigkeit tun wird?
Das ist die erste Frage und die zweite ist, ob wir uns auch als Knechte Gottes zur Verfügung stellen, um mit unseren Mitteln Liebesgrüße Gottes zu verteilen.
Das müssen keine großen Aktionen mit viel Geschrei und Aufmerksamkeit sein, sondern so wie es hier beschrieben wird in dem Umfeld, in dem wir leben, zum Beispiel etwas Zeit für einen Besuch, zuhören, Ungerechtigkeit im Kleinen nicht zulassen. Wer liebt entwickelt Fantasie. Entwickeln wir Fantasie, um die Liebesgrüße Gottes zu verteilen.
So können wir Hoffnung haben, dass unsere Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit doch noch erfüllt werden, weil Gott selbst eingreifen wird. Diese Hoffnung können wir bekommen, wenn wir auf die Liebesgrüße Gottes sehen, besonders auf Christus. Diese Hoffnung können wir geben, wenn wir selbst Liebesgrüße Gottes verteilen und auf Christus hinweisen.