Predigt zu 1. Korinther 11, 20-29 am Gründonnerstag
Am Tag vor Jesu Kreuzigung feiern wir „Gründonnerstag“.
„Grün“ hat nichts mit der Farbe zu tun, sondern kommt vom altdeutschen Wort „greien“ und bedeutet „schreien“. Es erinnert an Jesu Gebetsschrei im Garten Gethsemane. Aber an diesem Abend ist noch etwas anderes passiert: Jesus hat mit seinen Jüngern zum ersten Mal das „Abendmahl“ gefeiert und uns Christen diese Feier für alle Zeiten gegeben.
Wir wollen uns heute anhand von 1. Korinther 11, 20-29 etwas näher mit dem „Abendmahl“ beschäftigen:
20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn. 21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht. 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. 27 Wer also unwürdig von dem Brot isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. 28 Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. 29 Denn wer isst und trinkt und nicht bedenkt, welcher Leib es ist, der isst und trinkt sich selber zum Gericht.
Ich erinnere mich, dass zur Zeit meiner Kindheit alle, die zum Abendmahl gingen, schwarze Kleidung trugen.
Vor dem Gottesdienst gingen sie zur Beichte und in Anschluss an den Gottesdienst fand dann die Abendmahlsfeier statt, und zwar nur ein paar Mal im Jahr. Um das Abendmahl zu empfangen gingen sie dann in Vierer-Gruppen zum Altar, verbeugten sich und knieten nieder. Brot und Wein wurde ihnen ausschließlich vom Pastor gereicht. Man kann diese Form kritisieren, aber für die Menschen war es nicht nur eine Gewohnheit und Form, sondern Ausdruck tiefen Respekts vor der Heiligkeit des Abendmahls und vor dem, was Jesus für sie getan hatte. Das Abendmahl war nicht eine nette Feier, sondern man wollte „würdig“ zum Abendmahl gehen und es sich „nicht zum Gericht“ essen und trinken, wie es in den Versen 27-29 beschrieben wird.
Danach kam eine Zeit, in der man diese Traditionen über Bord warf. Alles wurde lockerer.
Das Abendmahl sollte eine fröhliche Feier sein mit einem ungezwungenen Verhalten. Manche hielten es sogar für angebracht, das Abendmahl mit Cola und Pommes zu feiern. Aber auch die Inhalte verflachten. Vielfach stand im Vordergrund, das Abendmahl als nette Gemeinschaft zu verstehen, in der alle miteinander teilen und ein neues soziales Miteinander unter Christen entsteht. Auch in einigen Gesangbuchlieder findet dieses Verständnis seinen Ausdruck.
Man mag sagen, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt und man von beidem, ernst und locker, etwa einbringen sollte.
Aber die Wahrheit liegt nicht dazwischen, ob locker oder streng darum geht es nicht.
Wir müssen vielmehr mit dem Herzen verstehen, worum es beim Abendmahl eigentlich geht.
Denn das Abendmahl ist eine ganz besondere und einzigartige Feier, denn im Abendmahl begegnet uns der auferstandene Jesus Christus.
Jesus, der damals hier über die Erde gegangen ist, er ist auferstanden und lebt und ist der Herr der Welt. Er kommt zu uns in Brot und der Frucht des Weinstocks und sagt: „Das ist mein Leib“ und „das ist mein Blut!“. Ich verbinde mich mit Brot und der Frucht des Weinstocks mit euch.
Können wir das nicht glauben?
Wie klein ist oft unser Glaube über die Möglichkeiten unseres Herrn? Martin Luther sagt dazu: „Wenn wir das nicht glauben können, wie können wir dann glauben, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, denn das Wunder der Menschwerdung ist viel größer, als in Brot und Wein zu uns zu kommen.“
Es ist ihm möglich, und wenn er es sagt, dass es so ist, dann ist es so!
So wie Gott damals als Mensch sichtbar geworden ist und mit den Sinnen wahrnehmbar war, damit wir ihn verstehen und an ihn glauben, so gibt er uns das sichtbare Zeichen des Abendmahls, mit den Sinnen wahrnehmbar, damit wir an ihn glauben.
Und er sagt uns: „Tut es zu meinem Gedächtnis“,
dass ihr euch daran erinnert, was ich für euch getan habe am Kreuz. Ich habe die Schuld der Welt auf mich genommen und die Trennung zwischen euch und Gott überwunden. Ich habe mich für euch geopfert, damit ihr in Ewigkeit leben könnt. Und nun nimm hin und iss und trink und glaube, dass dieses Opfer für dich gilt. Glaube, dass dir durch dieses Mahl die Sünden vergeben werden, dass das für dich gilt: „für dich gegeben zur Vergebung deiner Sünden“, denn ich bin für dich am Kreuz gestorben. Glaube, dass du durch dieses Mahl eine neue Gemeinschaft mit mir bekommst und ein Leben, das aus der Ewigkeit kommt und in Ewigkeit bleibt, so wie ich. Und dann sollen wir durch die Feier des Abendmahles schon einmal einen Blick in die Ewigkeit werfen. Jesus sagt uns, dass er dort in vollkommener Gemeinschaft mit uns zusammen sein wird.
So begegnet uns der Auferstandene im Abendmahl ganz konkret. Und wenn wir dieses Geschenk im Glauben annehmen, dann gibt uns das Kraft, um im Alltag treu unseren Glauben zu leben, aus seinen Verheißungen Kraft zu schöpfen und seinen Willen zu tun.
Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist etwas völlig Atemberaubendes und Besonderes.
Die Bibel beschreibt, wie es für Menschen unmöglich ist, Gott zu begegnen. In Lukas 5, 1-11 lesen wir, wie Petrus nach seiner ersten Begegnung mit Jesus sagt: „Geh weg, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Gott zu begegnen, ist wie ein greller Lichtstrahl in der völligen Dunkelheit, den wir nicht ertragen können. Wie können wir es nun wagen, Jesus im Abendmahl zu begegnen und mit ihm eins zu werden? Sind wir würdig, um Christus zu begegnen?
Was heißt es, „würdig“ zum Abendmahl gehen?
Das ist eine wichtige Frage, denn wenn ich nicht würdig bin, esse und trinke ich es mir zum Gericht, sagt Paulus. Manchmal wird „würdig“ so verstanden, dass wir ganz rein sein müssen, das heißt ohne Sünde. Deshalb feierte man früher häufig die Beichte vor dem Abendmahl und ging nur sehr selten zum Abendmahl, um sich richtig darauf vorzubereiten.
Aber mit würdig und unwürdig ist etwas anderes gemeint.
Das wird in unserem Abschnitt aus 1. Korinther 11 deutlich. Wir sollen mit unseren Geschwistern im Glauben mit der gleichen Liebe umgehen, wie Christus uns liebt.
Es ist unwürdig für die Abendmahlsfeier, wenn wir andere Mitchristen respektlos behandeln und nur an uns denken.
Dann behandeln wir Christus respektlos und was er für uns getan hat. Wir haben keinen Grund, zu meinen, wir seien besser als andere. Uns soll bewusst sein, dass wir alle Sünder sind, die immer wieder gegen Gottes Willen verstoßen und wissen, dass sie ohne die Gnade Gottes verloren sind. Wir brauchen Jesus dringend und die Gemeinschaft, die er uns mit Gott ermöglicht, ist ein großes Geschenk. So stehen wir beim Abendmahl am Altar gemeinsam als Sünder, jeder mit seinem Rücksack an mangelndem Vertrauen, Falschem Tun und Reden. Wir brauchen uns gegenseitig nichts vormachen.
So sollen sich alle beim Abendmahl sehen als die hoffnungslos verlorenen Sünder und als die, die sagen: Ich brauche Jesus genauso wie du.
Und nun heißt es in der Abendmahlsfeier: „für dich gegeben zur Vergebung der Sünden“ und damit zu einem neuen Leben in der Gemeinschaft mit Christus. Glaubst du das? Der Glaube an diese Zusage, dass Christus hier zu uns kommt und uns zu neuen Menschen macht, macht uns würdig. Unwürdig sind wir, wenn wir das nicht glauben.
Noch einmal: Es geht bei würdig und unwürdig nicht darum, dass wir unsere moralische Beschaffenheit analysieren, sondern es geht darum, ob wir den Zuspruch der Vergebung, der unverdienten Gnade annehmen, und uns dadurch, dass Christus sich aus lauter Liebe mit uns verbindet, zu neuen Menschen und Kindern Gottes machen lassen.
So stehen wir vor dem Altar gemeinsam als begnadigte Kinder Gottes, die von der Schuld befreit werden und durch die neue Gemeinschaft mit Christus ewiges Leben erhalten.
Das Abendmahl ist keine Gemeinschaft von netten Menschen, sondern von Sündern, die begnadigt wurden und aus der Gnade leben.
Das macht das Abendmahl zu einer Feier,
die tief ernst ist und unseren äußersten Respekt erfordert und die gleichzeitig die schönste und freudigste Feier ist, die wir uns vorstellen können