Predigt zu Johannes 20, 19-22 am Sonntag Quasimodogeniti
Haben Sie manchmal Angst vor etwas, was möglicherweise passieren kann? Vor …
einer Entscheidung, ob sie richtig ist oder das Leben in falsche Bahnen lenkt, z. B. bei der Berufswahl, am Arbeitsplatz, für Kinder oder in anderen Situationen;
Entwicklungen in der Gesellschaft oder im privaten Bereich in der Ehe oder bei den Kindern;
Gefahren, die das Leben aus den Bahnen werfen wie Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder anderen schweren Ereignissen;
Personen: dem Lehrer, Mitschüler, Chef, Arbeitskollegen, Ehepartner oder sonst jemand?
Angst hat etwas mit Enge zu tun, führt zur Enge!
Sie nimmt uns die Luft zum Leben, den Raum zur Entfaltung, so als würden die Grenzen unseres Lebens immer enger. Angst lähmt, macht unfähig zu leben und den Herausforderungen zu begegnen. Angst macht egoistisch! Wir leben dann in dem ständigen Gefühl, dass es nicht reicht. Wir brauchen alle unsere Kraft für uns selbst, klammern uns an das fest, was wir haben, und verlieren die Kraft für andere, den Blick für andere, allemal für die selbstlose Liebe. Angst ist, so sagt man, ein schlechter Berater und doch sehr bestimmend.
Wie können wir Angst überwinden und lernen, angstfrei zu leben? Dazu lesen wir jetzt aus Johannes 20, 19-22:
19 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. 21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist!
Die Jünger hatten Angst, richtig Angst.
Der erste Satz zeigt, wie die Jünger mit sich selbst beschäftigt waren: „Die Türen waren verschlossen.“, das heißt, keiner kommt rein und keiner geht raus. Die Angst war berechtigt, wie auch unsere Angst oft berechtigt ist. Jesus war tot, ihre Lebensgrundlage verloren. Was sollte jetzt aus ihnen werden? Und dann die Gefahr, dass man sie auch noch gefangen nehmen und töten könnte. Nicht gerade eine hoffnungsvolle Situation, nicht gerade Grund zur Freude. Aber es zeigt, wie die Angst sie verschließt, geradezu lebensunfähig macht. Die Angst isoliert uns und verschließt uns in uns selbst. Keiner kommt an uns ran, und wir kommen nicht raus.
Und dann kommt Jesus in ihre Mitte und sagt nur: Friede sei mit euch!
Zweimal sagt er es. Friede in Eurer Angst, inneren Unruhe, Schuld, Orientierungslosigkeit, Sorge. Friede findet ihr nicht, wenn ihr euch mit euch selbst, mit eurer Angst und den Gefahren beschäftigt, sondern Frieden erhaltet ihr durch mich!
Jesus tritt in den Kreis mit seinem Frieden und gleichzeitig, indem er in den Kreis hineintritt, öffnet er den Kreis, bricht ihn auf, auf zweierlei Weise:
Als er hineintritt, lenkt er die Aufmerksamkeit der Jünger auf ihn selbst.
Vorher waren sie mit sich selbst, mit ihrer Angst beschäftigt. Sie waren Gefangene ihrer selbst. Nun lenkt er den Blick auf sich, auf den Frieden, den er bringt, auf seine Möglichkeiten. Er sagt auch zu uns: Schau auf mich, wenn du Angst hast, traurig oder einsam bist. Wenn du denkst, dass deine Möglichkeiten für ein gutes und erfülltes Leben nicht reichen, dann schau auf mich und auf die Möglichkeiten, die ich habe. Ich habe den Tod überwunden und ich lebe und ihr sollt auch leben. Ihr habt Angst in der Welt, aber ich habe die Welt überwunden; mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden; Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; ich habe die größte Liebe zu dir. Schau auf mich und deine Angst wird verschwinden und du wirst Frieden finden. Die Blicke der Jünger sind jetzt nicht mehr auf die Gefahr, Sorge, Not gerichtet, sondern auf Jesus. Plötzlich sind alle alten Gefühle der Angst verschwunden. Sie sind fasziniert, ein bisschen zweifelnd, aber überwältigt. Alles ist anders.
Zum andern lenkt Jesus ihre Blicke raus aus dem engen Kreis heraus,
aus dem eigenen Leben und Denken und auch aus einem Gottesdienst und sagt: Euer Weg als Christen ist nicht dadurch ans Ziel gekommen, dass ihr mich gefunden habt, sondern ich habe einen Auftrag für euch. „Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ sagt Jesus. Christus selbst wurde von Gott in die Welt gesandt: Er ist nicht bei sich geblieben, hat sich nicht um seine Angelegenheiten im Himmel gekümmert, sondern in allem hat ihn der Auftrag geleitet, auch in Gefahren; in Gethsemane, als er Angst hatte; in der Auseinandersetzung mit den religiösen und politischen Führern; als es um die Trennung von Familie und Freunden ging. Er ist aus dem Himmel rausgegangen und auf die Erde gekommen, damit alle Menschen Gottes Liebe entdecken, sie bei Gott erfahren und mit ihm leben.
„So sende ich euch“: Richtet euren Blick weg von euch und euren Angelegenheiten; Geht in meinem Auftrag hinaus in die Welt, um den Menschen in eurer Umgebung Gott zu bringen, sie zurückzuholen zum himmlischen Vater, damit sie Frieden bekommen durch ihn und bei ihm.
Der Ruf Christi in die Nachfolge endet nicht bei uns selbst,
im privaten Leben oder im Gottesdienst, sondern beginnt dort erst: „Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch!“
Wie kann das bei uns passieren, dass wir mit der Angst fertig werden und dann mit einem positiven Auftrag zuversichtlich durch das Leben gehen?
Die normale Reaktion des Menschen auf Gefahren ist
entweder der Kampf bis zur totalen Erschöpfung gegen alles, was uns Angst macht, oder die Flucht, der Rückzug auf uns selbst, in die Einsamkeit, der Depression, indem wir die Türen nach draußen zuschließen.
Am Beispiel von Petrus ist zu sehen, wie das anders möglich ist:
Er hat Jesus verleugnet, als eine große Gefahr bestand, und andere liefen weg. Angsthasen und Feiglinge waren sie. Ein paar Wochen später, als es um Leib und Leben ging, da stellt er sich vor die ganze Obrigkeit und bekennt sich zu Christus, und als sie es ihm unter Androhung der Todesstrafe verbieten wollen, da sagt er: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Was für eine Veränderung! Die Ursache für die Veränderung steht in dem Satz Jesu: „Nehmt hin den Heiligen Geist, meinen Geist, den Geist Gottes.“ Die Kraft des Geistes Gottes hat Jesus vom Tod auferweckt und die Fesseln des Todes gesprengt. Er kann auch die Fesseln unserer Angst lösen und uns Kraft, Mut und Zuversicht geben. Er verbindet uns mit Christus zu einer tiefen Geborgenheit im Leben und Sterben, wie Paulus in Römer 8, 38+39 sagt: „38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Die Frage ist, wohin wir sehen und wovon lassen wir uns beeinflussen:
Wenn wir auf das sehen, was uns Sorge und Angst macht, dann beeinflusst uns gerade das, macht uns klein, ohnmächtig, eng und lähmt uns. Dann bestimmt der Geist der Gefahr uns. Wenn wir auf den auferstandenen Jesus sehen, füllt er uns an mit seinem Geist. Wer auf ihn sieht, der bekommt seine Kraft. Mit dem Geist Gottes wird jeder in die Lage versetzt, Angst zu überwinden und sich auf den Auftrag Jesu einzulassen. Der Geist Jesu gibt uns das, was er selbst ist an Kraft, Mut, Zuversicht, Hoffnung.
Nun sollen wir nicht nur selbst den Blick auf Jesus richten, sondern uns auch untereinander auf ihn hinweisen, wenn jemand Angst hat.
Nicht einfach sagen: wird schon, oder: ich helfe dir. Wer kann schon mit Sicherheit sagen, dass es wieder gut wird und wer ist in der Lage, in jeder Gefahr zu helfen. Natürlich können und sollen wir helfen und auch unsere Hoffnung auf bessere Zeiten zum Ausdruck bringen, aber wir sollten nicht vergessen, den Blick des anderen auf den zu lenken, der wirklich helfen kann, auf Jesus, und zwar in der Gemeinde, in Gesprächen unter Freunden und Bekannten, in der Familie, mit Kinder und bei anderen Menschen.
Mit Mut, Zuversicht, Kraft, Freude und Hoffnung durch das Leben gehen, das finden wir auf Dauer
nicht in der Welt, nicht bei Freunden, in der Familie oder in der eigenen Kraft. Das finden wir nicht, wenn wir durch Kampf alle Gefahren besiegen wollen, denn manche Gefahren sind zu groß für uns, oder wenn wir fliehen und uns in uns selbst verschließen.