Predigt zu Lukas 7, 36 – 50 am 11. Sonntag nach Trinitatis
In unserem Abschnitt geht es um zwei unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Personen, deren Lebensgeschichte folgendermaßen ausgesehen haben könnte:
Da ist zunächst eine Frau.
Als Jugendliche hat sie vielleicht schon ausgelassen geflirtet und zahlreiche Männerbekanntschaften gehabt. Sie galt als lebenslustig. Dann hat sie zum ersten Mal Geld für Sex genommen und ist so immer mehr in die Prostitution abgerutscht. Als sie zu einem normalen Leben zurückkehren wollte, merkte sie, dass es zu spät war. Andere redeten über sie, zeigten ihr ihre Verachtung und sie selbst verlor immer mehr an Selbstachtung. Aber was sollte sie machen? Sie war eine Gefangene ihrer eigenen Lebensgeschichte.
Als zweites erleben wir einen Mann,
wahrscheinlich mit einer guten Schulausbildung und einem ordentlichen Beruf. Er hatte den Ruf, ein anständiger Mensch zu sein. Andere sagten, man kann nichts Schlechtes über ihn sagen, er war immer höflich, beschäftigte sich mit Glaubensfragen und zu Gottesdiensten ging er regelmäßig.
Diese beiden haben nun eine Begegnung mit Jesus. Wir lesen dazu unseren Abschnitt aus Lukas 7, 36-50:
36 Es bat ihn aber einer der Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl 38 und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit dem Salböl. 39 Da aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. 40 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41 Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. 42 Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer von ihnen wird ihn mehr lieben? 43 Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er mehr geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt. 44 Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. 49 Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt? 50 Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!
So unterschiedlich wie die Personen sind, ist auch Ihre Umgehensweise mit Jesus:
Der Mann
empfängt ihn höflich, aber nicht übermäßig, sondern eher distanziert höflich. Bei einem sehr höflichen Empfang hätte er Jesus die Füße gewaschen. Auf diese Weise erwies zur damaligen Zeit der Gastgeber dem Gast eine besondere Ehre und Hochachtung.
Die Frau
dagegen überschüttet Jesus mit Freundlichkeiten. Tränen der Freude und Dankbarkeit fließen aus ihr heraus und ihre Haare benutzt sie zum Abtrocknen seiner Füße. Sie erweist Jesus diese besondere Ehre und Hochachtung und das mit ihren eigenen Tränen. Darüber hinaus küsst sie die Füße Jesu und salbt sie mit Öl. Es ist die tiefe Freude und Dankbarkeit und Liebe zu Jesus, die sie zu diesem Handeln bewegt.
Wie kommt es zu solchen unterschiedlichen Reaktionen?
Sehen wir uns zunächst noch einmal die Frau an: Sie hatte ihre Seele verloren an ihren Lebensstil und kam da nicht mehr raus. Wie sollte sie wieder Selbstachtung bekommen oder Achtung anderer Menschen bei dem Leben, das sie bisher geführt hatte? Nun erfährt sie bei Jesus etwas völlig Neues: Jesus verurteilt sie nicht, er verachtet sie nicht, sieht nicht auf sie herab, wie sie das sonst gewohnt war, sondern Jesus behandelt sie mit Würde und Respekt, weil er in ihr das geliebte Kind Gottes sieht, das verloren ist und gerettet werden muss. Das ist Vergebung! Alles, was war, zählt nicht mehr. Sie kann ihr Leben ganz neu gestalten ohne die Last der Vergangenheit. Jesus gibt ihr ihren Wert wieder zurück, und dieser Wert besteht, egal was andere über sie denken oder was sie selbst von sich hält. Bei ihm hat sie eine neue Chance für das Leben und für die Ewigkeit.
Der Mann
hat seine Seele auch verloren, und zwar an seine eigene Leistung, Position, Anerkennung, aber er merkt es nicht, und merkt nicht, welche Bedeutung Jesus für ihn haben kann.
Die Frau hat gegenüber dem Mann einen großen Vorteil:
Weil sie bei den Menschen keine Chance mehr hat, ergreift sie die Chance, die Jesus ihr gibt, und so bekommt sie einen neuen Anfang im Leben, ein neues Leben und die Ewigkeit.
Der Mann hat alle Chancen bei den Menschen, und darum begreift er nicht, wie verloren er ist, dass auch er seine Seele an irdische Dinge verloren hat, und dass er so nicht zu einem erfüllten Leben im Sinne Gottes und in die Ewigkeit kommt.
Ist das eine ferne, vergangene Geschichte? Ich glaube nicht! Wo ist unsere Seele?
Wie viele Menschen gibt es, die merken: Ich bin in eine Sackgasse gekommen und komme da nicht alleine mehr heraus,
die ihre Seele an den Alkohol verloren haben, an Spielsucht oder an Sorgen und Ängste und darüber fast irre werden; die kriminell geworden sind, junge Menschen, wo die Weichen schon falsch gestellt sind; die durch zu Höhe Ansprüche überschuldet sind oder auf andere Weise in finanzielle Nöte gekommen sind; Menschen, die keinen Ausweg mehr wissen und an Selbstmord denken oder es auch tun. Sie meinen, dass sie keine Chance mehr haben, und bei Menschen haben sie vielleicht auch keine Chance. Wenn sie doch wüssten, dass sie bei Jesus eine neue Chance haben, hier im Leben und für die Ewigkeit.
Was wäre, wenn all diese Menschen in der Kirche sitzen würden, um Gottes Wort zu hören? Vielleicht würden einige sagen: Was machen die denn hier, wie der Mann in unserer Geschichte, aber Jesus sagt das nicht. Bei ihm haben alle Verlorenen einen Ehrenplatz.
Und es gibt noch mehr Menschen, die ihre Seele verloren haben und es gar nicht merken,
die in sicheren Positionen leben, wo die Anerkennung und der gute Ruf wichtig sind; die genügend materielle Sicherheiten haben, die ihnen viel Vergnügen sichern; die eine gute Familie, erfolgreiche Kinder und eine liebenswürdige Nachbarschaft haben, eben anständige Menschen, die sich auch höflich mit Jesus und Glaubensfragen beschäftigen und vielleicht ab und zu in den Gottesdienst gehen.
Alle diese Menschen haben Chancen im Leben, Chancen bei Menschen. Wenn sie doch nur merken würden, wie oberflächlich das alles ist, und dass wir bei Gott und für die Ewigkeit nur eine Chance haben, wenn unsere Seele an Jesus hängt.
So wie die Frau: Sie hat die Gnade und Liebe Jesu erfahren und hat ihr Leben und ihre Liebe Jesus zu Füßen gelegt und ihre Seele hängt an Jesus, ist angefüllt mit dem, was Jesus für sie getan hat.
Diese Liebe zu Jesus entsteht, wenn wir merken,
dass er unsere einzige Hoffnung ist und uns nicht enttäuscht; dass er uns alle Liebe schenkt, Würde gibt, obwohl wir es nicht verdient haben;
dass er das alles nicht nötig gehabt hätte, aber er tut es, um uns zu retten, eine Chance zu geben für das Leben und vor allem für die Ewigkeit.