Predigt zu Kolosser 4, 2-4 am Sonntag Rogate
2 Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! 3 Betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir vom Geheimnis Christi reden können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, 4 auf dass ich es so offenbar mache, wie ich es soll.
Ein Pastor, der sich modern geben wollte sagte einmal: „Ich bete jetzt nur noch ex officio, das heißt, wenn ich es von Amts wegen tun muss“. Das ist vielleicht ein extremes Beispiel, aber es zeigt doch eine Tendenz. Beten ist nicht modern.
Die Menschen in Mitteleuropa beten immer weniger.
Das zeigt sich zum Beispiel am Wegfall der Tischgebete, aber auch morgens, abends oder zwischendurch wird kaum noch gebetet. Viele beten nur noch, wenn ihnen danach ist oder wenn sie in Not sind, aber so richtig können viele damit nichts anfangen. Und auch in der Kirche, in Konferenzen oder kirchlichen Gruppen wird das Gebet häufig nicht sehr intensiv praktiziert.
Da viele mit dem Beten wenig anfangen können, hat man sich Ersatzlösungen einfallen lassen.
So wird vom Gebet gesprochen als eine Möglichkeit, zur Besinnung und zur Ruhe zu kommen, als eine Pause im alltäglichen Stress, um dabei in sich hineinschauen und zu sich selbst zu finden. Andere sehen es als psychologische Hilfe, denn es tut gut, sich einfach mal aussprechen. Auch wenn ich nicht weiß, ob mir jemand zuhört, hilft es als ein Art Selbstgespräch. Was ausgesprochen ist, entlastet die Seele. Andere beschränken sich auf das liturgische Gebet und begründen das damit, dass man sich dabei hineingibt in die Worte der Kirchenväter.
Über diese Ersatzlösungen des Gebets mögen Sie denken, wie sie wollen, und es mag in manchen Situationen des Lebens auch seine Berechtigung haben, aber
mit dem Gebet, das Jesus praktiziert hat und das er seinen Jüngern beigebracht hat oder von dem Paulus spricht, hat es wenig zu tun.
Denken Sie einmal an einen Menschen, der ihnen wichtig ist, den sie mögen. Sie sind zu Besuch und nun kommen Sie zur Besinnung, indem Sie in sich hineinschauen oder Sie führen Selbstgespräche oder reden nur in vorformulierten Sätzen, wäre das nicht doch etwas merkwürdig? Da stimmt doch etwas nicht! Normal wäre doch das vertrauensvolle Gespräch zwischen ihnen beiden.
Die Frage ist, ob wir Gott lieben und ihm vertrauen,
dass wir ihm nicht egal sind und er Macht hat, etwas für uns zu tun, er es gut machen wird und er auf unser persönliches Gebet reagiert? Wir können viel über das Gebet reden, über Haltungen, Körperübungen und die richtigen Worte, aber wenn das Vertrauen zu Gott nicht da ist, dann nützt das alles nichts.
Wenn das Vertrauen aber da ist, dann können wir einfach anfangen zu reden.
Ich will es in einem Bild verdeutlichen, das mir sehr geholfen hat: Beim Beten darf ich bei meinem himmlischen Vater zu Füßen sitzen und ihm alles erzählen. Ich kann danken für alles, was er mir geschenkt hat, und bitten für das, was mir auf dem Herzen liegt. Ich kann berichten, was ich erlebt habe, und auch einfach auf ihn hören und mich ausruhen. Das Wichtigste ist, dass ich bei ihm sein darf. Das Gebet ist eine Herzenssache: Jesus von Herzen vertrauen!
Paulus hat hier das besondere Anliegen, dass die Gemeinde, an die er schreibt, für ihn selbst beten soll,
denn Paulus hat den wichtigen Auftrag, den Menschen das Evangelium zu bringen und sie dafür zu gewinnen. Dabei stößt er aber immer wieder auf Hindernisse wie Anfeindungen, Verfolgung, Steinigungen, Gefängnis und vor allem auf verschlossene Herzen, die er selbst nicht öffnen kann. Alle nun sollen die Gemeinden Gott darum bitten, dass Gott die Herzen der Menschen öffnet und Paulus in der Kraft und unter dem Segen Gottes wirken kann.
Und das soll auch für uns ein Anliegen im Gebet sein, dass wir für die beten, die sich dafür einsetzen, dass Menschen mit dem Evangelium erreicht und für die Ewigkeit gewonnen werden.
Das kann der Pastor Ihrer Gemeinde sein, andere Mitarbeiter im Dienst der Verkündigung oder andere Personen, die in besonderer Weise von Jesus diesen Auftrag erhalten haben. Denn was können diese Menschen tun, ohne die Kraft und den Segen Gottes? Sie können freundlich und nett sein, menschlich sympathisch, können allgemeine menschliche Weisheiten verkünden oder auch theologisches Wissen vermitteln, aber wenn die Verkündigung wirklich Herzen bewegen und Menschen näher zu Christus bringen soll, dann geht das nur mit der Kraft Gottes, wenn Gott selbst Herzen öffnet. Wenn tröstende Worte wirklich Trost bewirken soll, dann geht das nur, wenn Gott selbst das Herz anrührt, und wenn jemand den Mut haben sollen, auch unbequeme Dinge zu sagen, weil es das Wort Gott erfordert, und bei Widerstand, Anfeindungen und Anfechtungen standhaft bleiben soll, dann geht das nur mit Gottes Hilfe.
Ohne diesen ständigen Zufluss der Kraft Gottes ist auch ein Verkündiger des Evangeliums bald leer und ausgebrannt und kann den Menschen nicht mehr das geben, was sie vom Evangelium her brauchen. Deshalb sollen wir für alle, die das Evangelium verkündigen, beten.
So können auch Sie ganz konkret Anliegen vor Gott bringen,
zum Beispiel für leitende Mitarbeiter in Ihrer Gemeinde, dass sie die Gemeinde angefüllt im heiligen Geist und im Sinne Jesu leiten. Sie können beten für die Konfirmanden, dass sie den Zugang zur Botschaft Jesu finden, oder für kranke und einsame Menschen, dass sie den Trost des Evangeliums mit offenem Herzen aufnehmen. Vielleicht sind es auch besondere Personen, die Ihnen ans Herz gelegt worden sind, und für die Sie beten können. Unser Gebet brauchen auch diejenigen, die dem Glauben fernstehen, ihn ablehnen oder darüber spotten. Ich bin mir sicher, dass Ihnen noch andere Menschen einfallen, die Ihr Gebet gebrauchen können.
Für alle diese Anliegen können wir zuhause in der Stille beten oder auch in der Gemeinschaft mit anderen Christen. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, den Menschen, für die sie beten wollen, persönlich anzubieten, dass Sie mit ihnen beten möchten. Wenn Sie zum Beispiel am Krankenbett sind, dann können Sie mit dem Kranken beten, vielleicht sogar ein Lied singen oder lesen und dem Kranken die Hand zum Segen auflegen. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die beten, und was wäre die christliche Gemeinschaft ohne diese treuen Beter. Ich war und bin immer für alle sehr dankbar, die für mich gebetet haben und es noch tun.
Für unser Gebet brauchen wir auch keine besondere Sprache, sondern wir können so mit Gott reden, wie wir unser Anliegen im Herzen haben.
Ein schlecht formuliertes und stotterndes Gebet, das aus dem Vertrauen in die Liebe und Fürsorge unseres himmlischen Vaters kommt, ist viel wichtiger als ein gut formuliertes Gebet ohne dieses Vertrauen. Ich las einmal von einem ganz einfachen Mann, der jeden Mittag um 12.00 Uhr in eine Kirche ging, um ein ganz kurzes Gebet zu sprechen: „Jesus, hier bin ich!“, und dann ging er wieder hinaus in seinen Alltag. Dieses kindliche Vertrauen und das Gebet haben mich tief beeindruckt.
Für unser Gebet brauchen wir auch keine bestimmten Orte und Zeiten. Beten können wir immer.
Wenn wir krank und schwach sind oder nachts nicht schlafen können, ist beten allemal besser als grübeln. Beten können wir auch in den kleinen Pausen des Alltags, im Auto beim Fahren oder an der roten Ampel, in der Arteschlange an der Kasse, beim Kochen oder Putzen.
Wenn wir im Vertrauen und in Liebe zu Gott beten, mit unserem himmlischen Vater reden, dann geht es Gott auch zu Herzen und dann beantwortet er alle unsere Gebete.
Er beantwortet sie nicht immer so, wie wir es wollen, denn manchmal sagt er auch „Nein“, oder er erfüllt die Bitte später oder anders, denn alle unsere Gebete stehen unter dem Gebet „Dein Wille geschehe”, weil sein Wille immer besser ist als unsere Wünsche.
Aber eines geschieht immer, wenn wir so im Vertrauen beten: Unsere eigenen Herzen werden offen für Gott und wir selbst werden in der Gegenwart Gottes verändert, als Einzelne und als Gemeinde. Durch das Gebet werden wir immer mehr eins mit Gott, mit seiner Liebe, seinem Trost, seiner Hoffnung, seinem Willen.
Das Gebet ist die offene Tür zu Gott, zu unserem himmlischen Vater, der uns liebt!