Predigt zu Lukas 10, 17-20 am Letzten Sonntag nach Epiphanias
Was ist das Wichtigste im Leben?
In den Schulen soll vermittelt werden, was eine Gesellschaft für wichtig hält.
Wenn ich mir Lehrpläne an Schulen ansehe, dann stehen ganz oben Mathematik, Deutsch, die Fremdsprachen und Naturwissenschaften wie zum Beispiel Physik, Chemie und Biologie. Wenn es in diesen Fächern Tests gibt, dann ist das für Schüler und Eltern ganz wichtig. Dafür sollte man gut lernen und in jedem Fall dabei sein. Wenn dann die Ergebnisse kommen und in Mathematik steht eine eins und in Religion nur eine vier, dann finden das die meisten nicht so schlimm. Umgekehrt ist die Aufregung groß. Religion und Konfirmandenunterricht werden als nicht so wichtig angesehen.
Aber sind diese Fächer wirklich so wichtig? Was haben alle diese Fächer für einen Wert?
Sprachen, Mathematik, Physik und die anderen Fächer haben für sich allein fast gar keinen Wert! Sicher, es wird sehr viel Wissen angehäuft und darauf kann man sich etwas einbilden. Mit den vielen Sprachen kann man Selbstgespräche führen und stolz sein, dass man sich dabei selbst versteht. Allein das Wissen oder Können bringt niemand wirklich weiter.
Einen Wert bekommt dieses Wissen erst, wenn ich es in Beziehung setze zu einem Nutzen für etwas, was mir wichtig ist, das heißt im Zusammenhang mit etwas anderem Wichtigen.
Ich kann es einsetzen für meinen eigenen Nutzen,
zum Beispiel um Geld, Anerkennung, gute Beziehungen oder Macht zu gewinnen oder was mir sonst wichtig ist. Ich kann damit aber auch zerstörerisch wirken, indem ich die Umwelt und Beziehungen zerstöre, Menschen krank mache oder töte. Es kommt immer darauf an, was ich damit erreichen will, was mir wichtig ist.
Ich kann dieses Wissen einsetzen zum Wohl, zum Guten für mich, für andere Menschen oder die Natur.
Das entspricht dem christlichen Verständnis von Arbeit und Beruf und gibt dem Leben einen positiven Sinn, das heißt dass all mein Wissen und Können Dienstcharakter hat, um damit Gutes zu tun und in dieser Welt etwas „Paradies“ zu schaffen, indem ich Menschen heile, Frieden stifte, die Umwelt erhalte, Wohlstand aufbaue, das Leben erleichtere und was ich sonst noch als „gut“ definiere und etwas erreiche, was für Mensch und Natur wichtig ist.
Paulus sagt in 1. Korinther 13, 1+2: „1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“
Liebe ist für Paulus kein softes Gefühl oder das Geben von ein paar Almosen, sondern was Liebe Bedeutet, sieht er bei Jesus, der mit der ganzen Existenz und bis zur völligen Selbsthingabe geliebt hat.
Aus christlicher Sicht hat all mein Wissen, zum Beispiel in Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen und auch Philosophie und Theologe nur dann einen positiven Wert, wenn damit gedient wird aus Liebe zu Gott und aus Liebe zu den Menschen.
Was für einen Nutzen erwarten, erhoffen sich heute Menschen für sich?
Viele streben nach Wohlstand,
obwohl ich denke, dass es keinen so hohen Stellenwert hat, wie allgemein angenommen wird. Gute Beziehungen haben schon einen höheren Stellenwert. Bei Konfirmanden zählen Freunde und Familie immer zu den am meisten genannten Dingen, wenn es um die Frage geht, was ihnen am Wichtigsten ist. Ganz oben steht für die meisten Menschen
„Hauptsache gesund!“
Gesundheit ist wichtig für ein langes Leben, für Kraft, um mit Herausforderungen fertig zu werden und die Fähigkeit zum selbstbestimmten Leben. Gesundheit ist ein Thema in Politik, Medien, Esoterik und tausend Wellnessangeboten und zu einem riesigen Markt geworden.
Manfred Lütz, Prof. für Medizin beschreibt in seinem Buch „Lebenslust – wider die Diätsadisten“, dass Gesundheit zur neuen Religion geworden ist. Große Krankenhäuser sind die modernen Kathedralen, Fitnessstudios die Kapellen, Apotheken die Devotionalienläden, und die Menschen pilgern über weite Strecken zu großen Heilsbringern wie berühmten Chefärzten oder anderen Heilbringern. In dieser Beziehung besteht eine große finanzielle Opferbereitschaft. Und untereinander gibt es einen großen missionarischen Eifer mit Hinweisen auf heilbringende Ärzte, Medikamente oder andere Heilmethoden. Weil der Mensch die Ewigkeitshoffnung verloren hat, sucht er sein Heil in diesem Leben.
Ich will Gesundheit nicht kleinreden, sondern ich weiß Gesundheit zu schätzen.
Nach zwei Netzhautablösungen und Angst vor Verlust der Sehkraft, der Arbeit, des selbstbestimmten Lebens empfinde ich jeden Tag eine große Dankbarkeit für die Heilung und für die Möglichkeiten heutiger Medizin. Ich habe von all dem Wissen einen großen Nutzen für Dinge, die mir wichtig sind. Das Wissen der Ärzte erhält seinen Wert, wenn sie mir und anderen damit dienen. Wenn sie es für sich behalten würden, wäre es ziemlich wertlos.
Auf der anderen Seite erheben wir die Menschen, von deren Wissen oder Können wir uns einen großen Nutzen erhoffen, in einen gottähnlichen Stand.
Das gilt für alle Bereiche. Bei Ärzten reden wir dann von „Göttern in Weiß“. Die Versuchung ist, diese „Erhebung“ anzunehmen, hochmütig zu werden und nicht mehr zu dienen.
Manche entwickeln einen Habitus, der mir sonst nur bei Priestern und Pastoren bekannt ist, die sich mit der Ordination plötzlich in einen höheren, himmlischen Stand versetzt fühlten. So werden Ärzte auch häufig als „Priester der neuen Gesundheitsreligion“ angesehen, Juristen als „Priester der Gerechtigkeit“, Fondsmanager als „Priester des Wohlstands“, Psychologen als „Priester des Wohlergehens“ und Theologen als „Priester einer allgemeinen Religiosität“, und manche fühlen sich auch so und treten so auf.
Hat Gesundheit oder etwas anderes Wichtiges den höchsten Stellenwert verdient?
Gesundheit gehört zu den höchsten menschlichen Gaben, aber ist sie wirklich das Höchste?
Wir lesen dazu, was Jesus in Lukas 10, 17-20 sagt:
17 Die Zweiundsiebzig aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen. 18 Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. 19 Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. 20 Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
Die Jünger haben genau das bewirkt, was die Menschen sich wünschen:
Heilung, und das noch durch Wunder. Kein Wunder, dass sie sich wie im siebenten Himmel fühlten und sich ganz großartig vorkamen. Jesus holt sie auf den Boden zurück und sagt ihnen, was noch größer und wichtiger ist.
Tut mir leid für alle Naturwissenschaftler, Mathematiker, Sprachenkünstler, Juristen, Theologen, usw., die viel Wissen mit sich herumschleppen.
Jesus sagt: Am wichtigsten ist die gute Beziehung zum ewig liebenden Gott, dass mein himmlischer Vater mich kennt und ich zu ihm gehöre. Warum?
Wenn ich das beantworten wollte, müsste ich jetzt das ganze Evangelium auslegen. Sie können es aber auch selbst herausfinden. Lesen Sie einfach mal die Evangelien.
Ein paar kurze zusammenfassende Antworten will ich dazu geben:
In der Verbindung mit Gott leben wir in einer Beziehung zum Ewigen, ewig Gültigem. Positive Verbindungen zu Gesundheit, freudigen Ereignissen, Menschen und anderen Dingen sind gut, aber vergänglich. Was die Verbindung mit Gott ausmacht, was er mir in Jesus zeigt, bleibt bestehen. Sie ist eine ewig sprudelnde Kraftquelle, die immer wieder neu Mut und Energie gibt, eine Orientierung, die mir einen guten Weg zeigt zum erfüllten, sinnvollen Leben, ein Halt, der nicht zerbricht, auch wenn alle anderen Säulen des Lebens zerbrechen und eine Antwort auf den Tod, denn danach kommt erst das Eigentliche. Bei ihm weiß ich: Ich bin wertvoll und geliebt, egal was ich mir einrede oder Menschen mir sagen.
Deshalb ist es wichtiger als jedes Fach in der Schule,
wenn Menschen euch etwas vom Glauben an Jesus erzählen, zum Beispiel im Konfirmandenunterricht, Religionsunterricht, im Gottesdienst oder im alltäglichen Leben, zum Beispiel wenn Eltern ihren Kindern davon erzählen.
Wissen anhäufen ist auch wichtig, zum Beispiel in der Schule oder an der Universität, damit man damit einen guten Dienst zum Wohl der Menschen und der Natur tun kann, im Beruf oder auch sonst im Leben.
Aber wenn wir nicht lernen, nach den Werten Jesu, aus seiner Kraftquelle, auf der Grundlage des Evangeliums zu leben, woher nehmen wir die Orientierung, um mit all dem Wissen wirklich Gutes zu tun, die Kraft, Gutes zu tun und standzuhalten, wenn andere versuchen, uns negative Werte aufzudrängen, und die Grundlage, die uns Selbstwertgefühl, Geborgenheit und Halt gibt?