Predigt zu Lukas 15, 1-7 am 3. Sonntag nach Trinitatis
Wenn es um das Wort „Sünde“ geht, denken die meisten Menschen an irgendwelche moralischen Verfehlungen oder die Übertretung irgendwelcher Gebote.
Bei einem „Verkehrssünder“ geht es ja auch darum, dass jemand die Verkehrsregeln missachtet hat. Und so übertragen wir diesen Begriff auch auf Gott und sehen ihn schnell wie einen Polizisten, der penibel auf die Einhaltung der von ihm gesetzten Regeln achtet. Die Beschäftigung mit Gott erzeugt dann sehr schnell ein schlechtes Gewissen in uns und da wir das nicht haben wollen, halten wir uns lieber von Gott fern. Aber da liegt das eigentliche Problem, wenn es um „Sünde“ geht.
Sünde ist in erster Linie nicht das moralische Fehlverhalten, sondern das Misstrauen gegenüber Gott. Von Grund auf misstrauen wir Menschen Gott.
Wir vertrauen anderen Menschen, materiellen Dingen, unseren eigenen Fähigkeiten, aber bei Gott setzt das Misstrauen ein.
Wir misstrauen ihm, dass er es wirklich gut mit uns meint, uns liebt und uns so, wie wir sind, bei sich haben will. Wir misstrauen, dass seine Gebote wirklich gut für uns sind, sondern wir denken, sie nehmen uns etwas vom guten Leben und andere Wege bringen mehr Glück und Zufriedenheit.
Wir misstrauen seinen Zusagen: Kann man sich wirklich auf sie verlassen, sind sie tragfähig und wir denken, dass die Familie, das gesicherte Einkommen mehr Sicherheit bringt als Gott. Sie erscheinen uns als eine bessere Garantie für eine gesicherte Zukunft als Gottes Zusagen. Wir misstrauen dem neuen Leben, das Gott gibt mit Trost, Freude, Liebe, Zuversicht und halten das für ein schönes religiöses Gefühl aber für nichts Handfestes.
Dieses Misstrauen ist die Sünde und das macht uns zu Sündern.
Manche mögen sagen, damit kann ich leben, aber durch dieses Misstrauen gehen wir vorbei am guten sinnvollen Leben, wie Gott es sich für uns vorstellt; am Ziel des Lebens, der Gemeinschaft mit Gott, hier und in der Ewigkeit.
Auf dem falschen Weg des Misstrauens bleiben wir verloren für Gott und für die Ewigkeit. Das ist das Schicksal der Menschen, wenn wir ohne Gott bleiben. Wir schauen vielleicht manchmal zu Gott rüber und sagen guten Tag, aber solange wir auf dem falschen Weg bleiben, können wir keine Gemeinschaft mit Gott erleben.
Damit ist eigentlich alles über uns Menschen gesagt und auch Gott hätte allen Grund, uns verloren zu geben, aber er tut es nicht.
Dazu lesen wir jetzt aus Lukas 15, 1-7:
1 Es nahten sich ihm aber alle Zöllner und Sünder, um ihn zu hören. 2 Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
3 Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach: 4 Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eines von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet? 5 Und wenn er’s gefunden hat, so legt er sich’s auf die Schultern voller Freude. 6 Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. 7 Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.
In diesem Kapitel erzählt Jesus, wie Gott denen, die ihm misstrauen, nachgeht, sie sucht und auf sie wartet.
Jeder einzelne ist für Gott wertvoll und er hat jeden im Blick. Er klopft an jede Tür. Gott scheut keine Mühe für seine verlorenen Kinder, bis hin zum Kreuz: Johannes 3, 16 sagt Jesus: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Für den einen Verlorenen lässt er sogar die zurück, die bei ihm sind, die gerettet sind, weil die schon gelernt haben, ihm zu vertrauen.
Es ist unbegreiflich, dass Menschen trotz allem, was Gott getan hat und tut, nicht umkehren, Jesus nicht vertrauen und gerettet werden wollen. Das ist „der große Liebeskummer Gottes am Kreuz.“ Er hat alles getan, aber sie lehnen ihn ab, werfen ihn hinaus aus ihrem Leben. Die Menschen vertrauen lieber auf materielle Dinge, andere Menschen als auf Gott, der aus reiner Liebe alles für sie tut.
Aber nicht alle lehnen ihn ab. Einige nehmen die Einladung an, und die werden Gottes Kinder.
In Johannes 1, 16 heißt es: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben.“
Was ist mit ihnen? Trifft das auf Sie zu,
was Jesus in Johannes 10, 27-29 sagt: „Sie kennen mich, sie hören meine Stimme, sie folgen mir.“ Und: „Ich kenne sie, niemand kann sie aus meiner Hand reißen und ich gebe ihnen das ewige Leben.“
Das ist die Gemeinde, Gemeinschaft der Christen,
wie sie in der Apostelgeschichte 2, 42 beschrieben wird: „Sie alle widmeten sich eifrig dem, was für sie als Gemeinde wichtig war; sie ließen sich von den Aposteln unterweisen, sie hielten in gegenseitiger Liebe zusammen, sie feierten das Mahl des Herrn und sie beteten gemeinsam.“
Wir müssen an Jesus festhalten, denn unsere Rettung hängt an einem einzigen Seil: der Gnade und Liebe Gottes. Wenn wir das durchtrennen, dann fallen wir und gehen verloren.
In diesem Abschnitt wird über die Gemeinde noch mehr ausgesagt:
Die Gemeinde wird in der Nachfolge Jesu mit hineingenommen, in die Suche nach den Verlorenen. Das steht an erster Stelle. Dazu ist Jesus gekommen. Dazu ist Gemeinde da. Dazu sind wir Christen da. Alles, was Jesus tut, ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Von seiner Geburt an, seinem Wirken, bis hin zum Kreuz. Die Liebe Gottes, die Sehnsucht Gottes nach den Verlorenen hat ihn getrieben.
Wenn wir Jesus nachfolgen, dann soll auch unser ganzes Leben dazu dienen. Wenn wir durch unser Leben dazu beitragen, dass ein Mensch gerettet wird, hat unser Leben mehr Sinn, als wenn wir die größten Erfolge feiern können. Denn das ist für die Ewigkeit.
Alles in der Gemeinde unterliegt diesem Ziel. Alle Gruppen, alle Aktivitäten sollen dazu dienen. Ob wir uns zurüsten, Gemeinschaft stärken, verwalten oder singen.
Die vollkommene Liebe Gottes hat Jesus getrieben und sie soll auch unsere Triebkraft sein. Was gibt es schöneres, als wenn ein Mensch plötzlich seinen Retter findet.
Vielleicht erinnern Sie sich an Bilder fröhlicher Menschen aus Katastrophengebieten, wenn nach vielen Tagen ein Verschütteter gerettet werden konnte. Wie viel mehr ist das, wenn ein Mensch für die Ewigkeit gerettet wird. Uns so heißt es in unserem Abschnitt „So wird Freude im Himmel sein“. Ja, im Himmel wird ein Fest gefeiert, wenn ein Mensch zu Gott zurückfindet. Und darüber dürfen und können wir uns als Christen mitfreuen.
Aber Jesus macht auch deutlich: Wenn es darum geht, Verlorene zu suchen, dann müsst ihr, die ihr euren Retter schon gefunden habt, zurücktreten.
Stellen Sie sich eine Herde Schafe in der Steppe vor: Sie blöken, weil sie saftiges Futter wollen, aber sie müssen warten, weil der Hirte unterwegs ist, um ein verlorenes Schaf zu suchen. Das ist eigentlich selbstverständlich, auch wenn es nicht allen gefällt. Ebenso ist, wenn es um Nahrungsmittelverteilung geht, dann müssen zuerst die etwas haben, die hungern und dann erst die, die schon etwas hatten.
Genauso ist es auch, wenn es um die geistliche Nahrung geht.
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn in Lukas 15, 11-32 macht Jesus das deutlich. Der Ältere meckert, als der Verlorene bevorzugt wird. Aber Gott sagt: Was klagst du? Hast du nicht immer alles gehabt.
Jesus macht hier auf eine Gefahr aufmerksam, der wir als Christen immer wieder erliegen.
Sobald wir Christus neu entdecken und die schöne Gemeinschaft von Christen erleben, schließen wir hinter uns die Tür, finden es so schön kuschelig und vergessen die Verlorenen und auch Jesu Anliegen, warum er gelitten hat und gestorben ist. Und dann fangen wir an zu „blöken“ wie die Schafe in der Herde. In meiner ersten Gemeinde in Chile sagte eine Frau: „Wenn ein Pastor Mission treiben will, dann ist es sein Hobby; wir wollen einen, der unser Seelsorger ist. Mit Seelsorge meinte sie, gemeinsam Kaffee zu trinken.
Wie oft drehen wir uns in Gemeinden oder Gruppen um uns selbst und verlieren die aus dem Blick, um die es Jesus geht.
Als Beispiel will ich hier nur die Entwicklung eines neu gegründeten Chores schildern: Am Anfang war die Begeisterung zu spüren, auch die Freude über die neue Gemeinschaft und den gemeinsamen Auftrag. Doch ganz allmählich verloren sie den Auftrag Jesu aus den Augen und freuten sich nur noch an sich selbst; sie freuten sich über Beifall umnd erwarteten den Dank des Pastors und der Gottesdienstbesucher. Sie waren nur noch eine Clique wie viele andere Gruppen.
Wenn Sie aber den Auftrag Jesu wachhalten und die Liebe Jesu Christi in ihrem Herzen brennt, dann wird diese Begeisterung über Jesus zu spüren sein und dann können sie für viele Menschen zum Segen werden.
Jesus zeigt hier, wie wichtig ihm die Suche nach den Verlorenen, den Sündern, denen, die ihm misstrauen, ist. Dafür hat er sein Leben gegeben wie auch für uns.
Wir sollen ihm die Tür öffnen, jeden Tag und das Misstrauen beiseitelegen. Der Sinn unseres Lebens als Christen besteht darin, ihm bei der Suche zu helfen.