Predigt zu Lukas. 4, 16-31 am Sonntag Invokavit
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Ein Pastor soll die Pfarrstelle in der Gemeinde übernehmen, in der er geboren und aufgewachsen ist. Die Gemeinde weiß, was er in anderen Gemeinden schon geleistet hat an tollen Projekten, Wachstum der Gemeinden, als guter Seelsorger und Prediger. Nun stellt er sich vor und redet er von seinen Zielen für die Gemeindearbeit. Man spürt die Begeisterung und die freudige Erwartung, dass er das nun alles in den Gruppen der Gemeinde und bei den Anwesenden umsetzt. Dann aber sagt er: „Liebe Gemeinde, für euch werde ich das alles gar nicht tun, sondern nur für Leute außerhalb der Gemeinde.“ Die Begeisterung schlägt um in maßlose Enttäuschung und Wut.
Jeder würde sagen, dass das nicht klug und wenig diplomatisch war. Er hat die Antrittsrede vermasselt, Sympathien verspielt und einen ausgesprochen schlechten Anfangsstart hingelegt.
In unserem heutigen Abschnitt aus Lukas 4, 16-31 lesen wir von Jesu Antrittsrede in seiner Heimatstadt Nazareth.
16 Und er kam nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging nach seiner Gewohnheit am Sabbat in die Synagoge und stand auf, um zu lesen. 17 Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht. Und als er das Buch auftat, fand er die Stelle, wo geschrieben steht: 18 »Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und die Zerschlagenen zu entlassen in die Freiheit 19 und zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.« 20 Und als er das Buch zutat, gab er’s dem Diener und setzte sich. Und aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn. 21 Und er fing an, zu ihnen zu reden: Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren. 22 Und sie gaben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Munde kamen, und sprachen: Ist das nicht Josefs Sohn? 23 Und er sprach zu ihnen: Ihr werdet mir freilich dies Sprichwort sagen: Arzt, hilf dir selber! Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind! Tu so auch hier in deiner Vaterstadt! 24 Er sprach aber: Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet ist willkommen in seinem Vaterland. 25 Aber wahrhaftig, ich sage euch: Es waren viele Witwen in Israel zur Zeit des Elia, als der Himmel verschlossen war drei Jahre und sechs Monate und eine große Hungersnot herrschte im ganzen Lande, 26 und zu keiner von ihnen wurde Elia gesandt als allein nach Sarepta im Gebiet von Sidon zu einer Witwe. 27 Und viele Aussätzige waren in Israel zur Zeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde rein als allein Naaman, der Syrer. 28 Und alle, die in der Synagoge waren, wurden von Zorn erfüllt, als sie das hörten. 29 Und sie standen auf und stießen ihn zur Stadt hinaus und führten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinabzustürzen. 30 Aber er ging mitten durch sie hinweg.
Jesus ging wie immer in die Synagoge, um am jüdischen Gottesdienst teilzunehmen.
Es war üblich, dass Männer einen Text aus der Bibel vorlasen, und das macht Jesus auch. Die Menschen kennen ihn aus der Zeit, als er noch bei ihnen wohnte. Sie hatten schon viel Wunderbares von Jesus gehört und sind gespannt, was er ihnen bietet.
Jesus erläutert an Hand der Textstelle aus Jesaja seinen eigenen Auftrag.
Die Zuhörer sind begeistert und klatschen Beifall. Selbstverständlich erwarten sie, dass Jesus auch bei ihnen solche großen Wunder und Taten tut, in seinem eigenen Dorf. Er soll etwas für sie tun und seine Größe beweisen. Doch Jesus sagt Nein! Für euch nicht. Und er fügt Beispiele aus dem Alten Testament hinzu, aus denen deutlich wird, dass große Propheten nicht in ihrer Heimat gewirkt haben.
Was nun folgt, kann man sich denken. Die Leute sind sauer, so sauer, dass sie ihn umbringen wollen. Doch Jesus macht wieder deutlich, dass nur das passiert, was er will. Er geht einfach weg.
Unseren Abschnitt kann man in zwei Teile unterteilen, der Begeisterung über Jesus und die Ablehnung.
Beides begegnet uns auch sonst bei Jesus, so zum Beispiel beim Einzug Jesu in Jerusalem, wo die Menschen ihm zunächst zujubelten und dann „kreuzige ihn“ schrien. Es ist immer Jesus selbst, der durch seine Worte und sein Verhalten diese Wende herbeiführt. An Jesus scheiden sich die Geister und die Menschen müssen sich für oder gegen ihn entscheiden.
Man kann sagen: Jesus ist stur, nicht zu Kompromissen bereit und äußerst undiplomatisch, aber
Jesus macht deutlich, dass er nicht gekommen ist, um die Erwartungen zu erfüllen und den Willen der Menschen zu tun, sondern er ist gekommen, um Gottes Auftrag zu erfüllen und Gottes Willen zu tun.
Nicht die Menschen bestimmen sein Tun, sondern er ist der Herr!
Hier wollen sie zwei Mal über Jesus bestimmen und beide Male macht Jesus deutlich: Nein! Sie wollen, dass er durch Wunder bestätigt, dass er etwas Besonderes ist, und als sie ihn töten wollen, geht Jesus mitten durch sie hindurch.
Auch an vielen anderen Stellen in den Evangelien sehen wir, dass die Menschen etwas von Jesus wollen und es sogar fordern. Er soll seine Autorität durch Zeichen beweisen und sein Auftreten rechtfertigen. Sie wollen, dass er ihr König wird, damit sie von ihm profitieren können, und fordern, dass er sich an ihre Gewohnheiten religiösen Vorschriften hält. Nur wenn er tut, was sie wünschen und fordern, wollen sie ihn akzeptieren.
Auch heute setzt sich dieses Verhalten gegenüber Jesus fort, wenn wir ihm nur vertrauen wollen, wenn er unsere Gebete erfüllt, oder wir Beweise dafür haben wollen, dass er der Herr und Retter der Welt ist, oder auch wenn wir an seiner Liebe zweifeln, weil wir Leid erfahren und ihn fragen, warum er das zulässt.
Jesus antwortet uns modernen Menschen genauso undiplomatisch und kompromisslos mit einem „Nein!“ Ich bin nicht da, um euren Willen zu tun, sondern Gottes Willen.
Und auch heute wenden sich viele Menschen deshalb von Jesus ab, denn einen gefügigen Jesus, der die eigenen Wünsche erfüllt, kann man gebrauchen, aber Jesus als Herrn, dem wir folgen sollen, ist oft nicht erwünscht.
Jesus hat einen Auftrag und diesen Weg geht er konsequent bis zum Tod.
Anhand des alttestamentlichen Textes, den er vorliest, macht er deutlich, dass er nicht auf der Seite der Starken, der Mächtigen und Einflussreichen steht, sondern auf der Seite der Schwachen und Hilflosen, die unter ihrer Hilflosigkeit leiden, sich selbst nicht helfen können, keine Hilfe erfahren und bei ihm Hilfe suchen.
Das gilt zunächst für den ganz normalen gesellschaftlichen Bereich, aber es geht auch tiefer. Jesus ist für die da, die geistlich hilflos sind und die wissen, dass sie verloren sind, getrennt von Gott und darunter leiden, die darunter leiden, dass sie gefangen sind in der Sünde und unter der Macht des Teufels, den Weg Gottes nicht kennen, blind durchs Leben gehen und keine Frömmigkeit und geistliche Erkenntnis vor Gott geltend machen können.
Ihnen bringt er die Botschaft von der Befreiung Gottes. Nun soll Gottes Liebe, Gottes Freiheit, Gottes Gnade, Gottes Freude über sie Macht haben und sie bestimmen, hier im Leben und für die Ewigkeit.
Aber es ist nicht nur eine Nachricht, sondern Jesus macht deutlich, dass das durch ihn geschieht
. In Jesus ist das Wirklichkeit geworden, in Erfüllung gegangen.
Nicht irgendwo, auch nicht durch Menschen oder in anderen Religionen, sondern einzig in Jesus finden wir das Heil und die Rettung der Menschen.
Wenn wir daran Anteil haben wollen, dann müssen wir uns ganz auf Jesus einlassen und anerkennen, dass er der Herr ist und nicht wir.
Nicht wir sind die Herren, die von Jesus etwas fordern oder ihm etwas geben könnten, sondern Jesus ist der Herr, der fordert und gibt. Nicht wir haben das Recht Gottes Wort zu beurteilen, ob man es noch gebrauchen kann oder nicht, sondern Gottes Wort beurteilt uns, ob wir noch zu gebrauchen sind oder nicht. Nicht wir wenden uns gnädig Jesus zu, als würden wir uns herablassen zu jemanden, sondern er wendet sich uns gnädig zu und lässt sich herab zu uns.
Akzeptieren wir das, dass sein Wille in unserem Leben geschieht, auch wenn er unseren Wünschen entgegensteht und vertrauen wir darauf, dass sein Wille gut ist, oder wenden wir uns dann enttäuscht ab, wenn er unsere Wünsche nicht erfüllt? Versuchen wir von ganzem Herzen zu tun, was er uns sagt und uns auf sein Wort zu verlassen oder behandeln wir Gottes Wort als interessante religiöse Meinung, die wir beurteilen, ob sie zu gebrauchen ist oder nicht?
In Philipper 2, 11 sagt Paulus: „Alle Knie müssen sich beugen und alle Zungen bekennen, dass Jesus der Herr ist.“
Aber wenn wir im Herzen nach Jesus schreien und Hilfe suchen, dann ist er da!
Wenn ein Mensch verzweifelt ist und keinen Weg mehr für sein Leben sieht, jemand unter seiner Schuld leidet und nicht weiß, wie er da herauskommen soll, oder wenn jemand spürt, dass ihm alles weg bricht, was ihm Halt gegeben hat, und wenn jemand angesichts des Todes ängstlich fragt, ob Gott ihn aufnimmt, dann ist Jesus da und spricht einem Menschen die Gnade und Vergebung zu. Dann kann ein Mensch durch Jesus Befreiung und neues Leben erfahren.
Jesus sagt jedem von uns: Folge mir nach! Ich zeige dir den Weg, wie Gott dich verändert und dich braucht.
Und in der Nachfolge sollen wir ihm gehorchen, als Einzelne und als Gemeinde.
Wir sollen nicht auf die hören, die am lautesten schreien, meckern, fordern, am meisten Macht und Einfluss oder die größte Lobby haben, sondern nur auf Jesus und mit Jesus seine Sendung weiter führen und denen die Gnade und Liebe Gottes bringen, die hilflos und verloren sind.
Vielleicht ist das der Konfirmand, der stört oder nicht aufpasst, der alte Mensch, der einsam ist und in seinem Leben keinen Sinn sieht, der gescheitert ist, dessen Leben verkorkst erscheint und der nicht mehr kann, oder der, der sich zu schlecht fühlt, um eine Kirche zu besuchen, oder einfach der ganz „normale“ Nachbar. Jeder Mensch braucht Jesus und seine Gnade und Liebe, seine Befreiung aus unseren Fesseln.