Ethik und Lebensbewältigung – Orientierung für ein christliches Lebens
Ethik ist der Fachbegriff für Lebensgestaltung nach bestimmten Grundprinzipien. Insofern ist die Ethik eine Hilfe zur Bewältigung des Lebens. Man kann sich vorstellen, dass die theologische Ethik ein sehr weites Feld ist.
Es gibt unzählige Gebote und Aufforderungen in der Bibel. Wenn man die dann noch alle erklärt für unsere Zeit, dann kann daraus wie bei der Ethik von Professor Dr. Helmut Thielecke ein dickes vierbändiges Werk entstehen.
Wenn man allerdings die Anzahl der Gebote und Aufforderungen der Bibel vergleicht mit der Anzahl von Gesetzen, nach denen wir heute leben sollen, dann sind es in der Bibel relativ wenig. Alle Gesetze unseres Staates wie Verkehrsgesetze, Lebensmittelgesetze, Strafgesetze, Bauvorschriften, usw. und zahlreiche Verordnungen füllen schon ganze Regale und die juristischen Auslegungswerke dazu umfassen ganze Bibliotheken.
Hier soll kein großes ethisches Werk entstehen, sondern
Auf dieser Seite
finden Sie einige Leitlinien für ein christliches Leben, angefangen beim Schöpfungsauftrag über die Gebote zum Neuen Testament.
Auf den Unterseiten
finden Sie dann einige Ausführungen zu bestimmten Themen christlicher Ethik, die eine Hilfe zur sinnvollen Bewältigung unseres Lebens sein sollen.
Bislang vorhanden sind:
Weitere Themen werden folgen.
Leitlinien christlicher Ethik
1. Schöpfungsauftrag:
Gott hat die ganze Welt nicht nur gut, sondern sehr gut geschaffen.
In Kap. 2, 4 heißt es: „Und Gott sah an alles, was er geschaffen hatte, und siehe, es war sehr gut.“ In allen Beziehungen ist alles sehr gut: in der Beziehung des Menschen zu Gott, der Menschen untereinander, des Menschen zu sich selbst und in seiner Beziehung zur übrigen Natur. Es herrscht ein umfassender Friede, alles ist heil. Und so ist es sein Wille, dass seine Schöpfung sehr gut erhalten bleibt.
Zur Erhaltung seiner Schöpfung und aller Beziehungen hat Gott sich einen Stellvertreter geschaffen, den Menschen als Mann und als Frau.
Es geht hier nicht darum, dass der Mensch physisch dem Bild Gottes entspricht, sondern in seinem ganzen Wesen ist und soll der Mensch dem Wesen Gottes gleich sein, als sein Ebenbild.
In gleicher Weise wie Gott herrscht, soll auch der Mensch herrschen. Gute Herrschaft bedeutet nie, das Anvertraute nach Belieben auszubeuten, sondern die versucht alles, um das, was anvertraut ist, zum aufblühenden Leben zu bringen. Niemals kann die Ausbeutung der Schöpfung oder Unterdrückung anderer Menschen mit diesen Versen aus der Schöpfungsgeschichte begründet werden. Die Schöpfung ist auch nicht der Besitz des Menschen, sondern sie ist ihm von Gott anvertraut als Gottes Verwalter. Gott gegenüber ist er darüber verantwortlich und muss ihm Rechenschaft abgeben, wie er damit umgeht.
Nun leben wir aber nicht mehr im Paradies, wo alles heil ist, sondern in einer zerstörten Schöpfung und zerstörten Beziehungen.
Alle vier Beziehungen sind gestört und haben ihren Ursprung in der zerstörten Beziehung des Menschen zu Gott. Der Mensch ist nun nicht mehr Teil des vollkommenen heil-seins Gottes.
Es geht nun nicht mehr darum, die sehr gute Schöpfung und die heilen Beziehungen zu erhalten, sondern darum, wieder Heil zu schaffen. Der Schöpfung soll zu einem aufblühenden Leben verholfen werden; die Beziehung des Menschen zur Natur soll wieder heil werden genauso wie die Beziehung der Menschen untereinander und des Menschen zu sich selbst. Vor allem aber muss die Beziehung des Menschen zu Gott wieder ganz heil werden, denn in einer vollkommen heilen Beziehung zu Gott wüssten wir immer, was gut und richtig ist, und wir würden es tun. Wir würden als Stellvertreter Gottes, als seine Ebenbilder in seinem Sinne handeln und verantwortlich mit uns selbst und allem anderen umgehen.
Eigentlich ist in diesem Auftrag alles für eine christliche Ethik und Lebensbewältigung enthalten.
2. Gebote:
Weil nun die Beziehung zu Gott nicht mehr ganz heil ist, der Mensch selber nicht mehr heil ist und von sich aus nicht mehr weiß, was gut und richtig ist, hat Gott den Menschen Gebote gegeben, damit er weiterhin in seinem Sinn handeln kann.
Alle Gebote sind ein Zeichen der Liebe und Fürsorge für die Menschen und die ganze Schöpfung, denn Gott will nicht, dass sich das Unheil weiter ausbreitet, sondern er möchte so viel Heil wie möglich mit den und durch die unheilen Menschen herstellen.
Eine hervorragende Bedeutung unter allen Geboten haben die 10 Gebote, die Gott Mose gegeben hat.
Das erste Gebot bildet die Grundlage für alle weiteren Gebote der Bibel.
Denn nur wenn wir Gott als unseren Herrn akzeptieren, sind wir bereit, uns auf die anderen Gebote einzulassen, und nur wenn wir in einer heilen Beziehung zu Gott leben, werden wir in die Lage versetzt, auch in anderen Bereichen Heil zu schaffen. Im 2. und 3. Gebot geht es um konkretere Fragen unserer Beziehung zu Gott.
Die Gebote 4 – 10 regeln die Beziehung zu anderen Menschen.
Über die ganzen Jahrhunderte bis in unsere Zeit gelten die 10 Gebote als wichtigste ethische Richtlinie für Christen.
Viele Christen definieren ihr christliches Leben mit dem Versuch, nach den 10 Geboten zu leben.
Manche haben es sich damit sehr einfach gemacht. Man konnte eins nach dem anderen abhaken und sich dann gut und auf der sicheren Seite fühlen. In Lukas 18 sagt der reiche Jüngling zu Jesus: „Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend an.“ Als Jesus ihn daraufhin auf seinen Reichtum anspricht und ihn auffordert, alles zu verkaufen und das Geld den Armen zu geben, merkt er, dass ihm noch vieles fehlt. Jesus macht damit deutlich, dass es in der Nachfolge Jesu um mehr geht als die 10 Gebote für sich abzuhaken. Die Gefahr ist eben dann, dass man in Bereichen, von denen die Gebote nicht reden, nach Belieben handelt und nicht sein ganzes Leben unter Gott stellt.
Andererseits wurde mit den 10 Geboten auch viel Macht ausgeübt und ein schlechtes Gewissen gemacht, um Menschen zu gehorsamen Untertanen zu machen: der Staat gegenüber Untertanen, die Kirche gegenüber Gläubigen und Eltern gegenüber Kindern.
Martin Luther hielt die 10 Gebote für eine gute christliche Orientierung.
In den Erklärungen im Kleinen Katechismus deutet er sie für seine Zeit. Allerdings nahm er sich auch die Freiheit, das Bilderverbot aus den 10 Geboten herauszunehmen, um denen, die damals mit Gewalt alle christlichen Bilder aus Kirchen entfernen wollten, keine Rechtfertigung zu geben. Luther war der Überzeugung, dass wahre Christen eigentlich keine Gebote benötigen, da sie ganz in der Liebe Christi leben. So hatten die Gebote vor allem die Bedeutung, dass wir zur Sündenerkenntnis kommen, um dann zur Gnade Jesu Christi getrieben zu werden. Zum anderen waren die Gebote für ihn eine gute Grundlage für die staatliche Gesetzgebung, damit auch Nichtchristen danach leben, allerding immer auch in der Freiheit, sie gegenwärtigen Situationen anzupassen.
Neben den 10 Geboten finden wir noch viele andere Gebote im Alten und Neuen Testament, die Gottes Willen für einzelne Bereiche verdeutlichen.
Im Alten Testament Gebote für den Kult, für das soziale Miteinander, für Herrschende, für Priester, etc.
Im Neuen Testament Regelungen innerhalb der Gemeinde, der Familie, zu anderen Menschen, zu Feinden, zu Gott, etc.
Man kann die Gebote der Bibel nicht alle eins zu eins in unsere Zeit übertragen, denn manche sind an zeitliche Situationen gebunden und müssen in unsere Zeit übertragen werden wie zum Beispiel das Verhältnis von Mann und Frau; andere Gebote sind für uns völlig unbedeutend, wie zum Beispiel manche Kultgesetze, doch die meisten Gebote helfen uns, den Glauben an Jesus Christus konkret zu leben.
Wichtig bei allen Geboten ist, sie mit der Botschaft Jesu in Verbindung zu bringen.
Bei all den vielen Geboten haben manche Menschen das Gefühl, sie werden in ihrer Lebensentfaltung eingeengt und Gott ist der Spaßverderber.
Sie denken, als Christ wird man zu einem Einheitsmenschen: ständig lächelnd, ständig zerknirscht oder ständig demütig und sogar in Kleidung und Aussehen vereinheitlicht, wie es das nebenstehende Schaubild verdeutlicht.
3. Das Neue Testament schafft eine neue ethische Grundlage
Was ist neu im NT, denn es gibt auch hier viele Gebote?
Wir stehen jetzt nicht mehr Gott gegenüber und versuchen, durch unsere Werke und mit unserer Kraft ein gottgefälliges Leben zu führen, sondern unsere Ethik ist eine Folge, ein Ausdruck der neuen durch Jesus geschaffenen Gemeinschaft mit Gott.
Durch die Verbindung zu Jesus werden wir eins mit Gott und angefüllt mit seiner Liebe und der Kraft seines Heiligen Geistes. Gott selbst stellt das Heil aus der Schöpfungsgeschichte wieder her. In Jesus Christus ist dieses Heil Gottes sichtbar zu uns Menschen gekommen. In der Verbindung mit ihm ist das Heil in der Beziehung zu Gott wieder vollkommen hergestellt. Aus dieser Quelle leben wir und nun wirkt er selbst in uns und durch uns. Es ist die neue Möglichkeit durch den Glauben an Jesus.
Das christliche Verhalten geschieht nicht in erster Linie durch eigene Kraftamnstrengung und Disziplin, sondern indem wir uns dem Einfluss Jesu aussetzen und von ihm anfüllen lassen. So können wir als das leben, was wir durch Jesus sind: geliebte Kinder Gottes, die in seiner Liebe leben. Jesus nachfolgen heißt, von ihm lernen, in seiner Liebe zu leben, indem wr frei weden von allen irdischen Bindungen, Ängsten und Sorgen und frei werden, selbstlos zu lieben.
Gott schenkt uns in Jesus seine Liebe im Überfluss und sie fließt über.
← Die Verheißung dazu finden wir schon im Alten Testament bei Hesekiel
Und Paulus schreibt an die Korinther
So kann Jesus alle Gebote zusammenfassen in dem einen Wort, das dem ureigensten Wesen Gottes entspricht: Liebe
Durch eigene Anstrengung werden wir die Gebote in ihrem tiefsten Sinn nie erfüllen, sondern nur durch den Geist Gottes werden wir in die Lage versetzt, in der Liebe Gottes zu leben.
Bei dieser Liebe geht es nicht um ein romantisches Gefühl und auch nicht um Mitleid oder darum, dass mich irgendetwas oder irgendjemand körperlich, seelisch oder geistig positiv anzieht. Diese Liebe Christi will nur für sich und andere das tun, was in Gottes Augen das Beste ist.
Grundsätzlich kann man zwischen zwei Arten von Liebe unterscheiden:
Zum einen die Liebe, die in mir entsteht, weil mein Gegenüber in mir ein positives Gefühl weckt, das mich dann zur Tat bewegt. Im Griechischen steht dafür das Wort „eros“.
Zum andere die Liebe, die aus sich selbst heraus etwas Gutes tun will. Ich Griechischen steht dafür das Wort „Agape“, was so viel wie „selbstlose Hingabe“ bedeutet.
So kann Jesus in Matthäus 5 sagen:
Denn das Tun aus der Liebe Gottes (Agape) ist besser als das normal menschliche Tun, das abhängig ist von einem Impuls von außen oder auf Belohnung aus ist.
Vollkommen in der Liebe Gottes leben bedeutet:
Ich bekomme von Gott alles im Überfluss und habe genug daran. Und Ich bin bereit dafür alles Irdische bis hin zu meinem eigenen Leben hinzugeben.
Paulus schreibt in Römer 14, 1: „Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung! Bringt euch Gott als lebendiges Opfer dar, ein Opfer völliger Hingabe, an dem er Freude hat. Das ist für euch der vernunftgemäße Gottesdienst.“ Und in 1. Korinther 13, 1-7 beschreibt er, worum es bei dieser Liebe geht.
Der Kirchenvater Augustinus antwortet auf die Frage, wie ein Christ leben soll: „Liebe und sonst tue, was du willst.“
Wer in dieser Liebe lebt, der findet zur Entfaltung seiner eigenen besonderen Persönlichkeit nach dem Bild Gottes.
Denn ich entfalte meine Persönlichkeit nicht, wenn ich mich nach irgendwelchen Bildern oder Vorbildern selbst gestalte und verwirkliche, sondern wenn ich mich ganz in Gottes Hand gebe und von ihm nach seinem Bild neu gestalten lasse. Darum werden Menschen durch den Glauben nicht zu Einheitsmenschen, sondern ganz im Gegenteil kommt durch den Glauben die eigene von Gott geschenkte besondere Persönlichkeit zum Vorschein.
Christliche Ethik ist nicht keine Einengung oder Gängelung und darf schon gar nicht benutzt werden, um andere Menschen mit einem schlechten Gewissen gefügig zu machen.
Christliche Ethik ist zuallererst eine große Freiheit.
Paulus schreibt in 1. Korinther 6, 12: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient mir zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangennehmen.“
Und Martin Luther kann sogar sagen, dass wir „fröhlich drauf los sündigen“ sollen. Er will damit nicht zur Sünde ermutigen, aber er will verhindern, dass wir aus Angst, etwas falsch zu machen, gar nichts tun oder verkrampft sind, sondern wir sollen im Bewusstsein eines liebenden Vaters fröhlich handeln, auch wenn es sich dann als falsch herausstellt.
Die christliche Freiheit findet ihre einzige Bindung an Jesus Christus. Er ist der Halt im Leben und Sterben.
Manchen gibt die gesetzliche Frömmigkeit Halt, aber unser Halt soll nicht in der Frömmigkeit liegen, sondern in Christus. Gott traut uns das zu, in der neuen Freiheit und mit seinem Geist zu handeln, indem wir in der Nachfolge Jesu von ihm jeden Tag lernen, was es heißt in seiner Liebe zu leben.
Anregungen zur Vertiefung:
- Was können Sie konkret tun, um in den vier Beziehungen etwas Heil zu schaffen?
(Nicht: Was kann man tun oder was sollte man tun, sondern was können wir tun) - Welche Begriffe kennzeichnen für Sie ein christliches Leben, z. B. Dankbarkeit, …?
- Lesen Sie 1. Korinther 13, 1-7
- Römer 14, 23: „Alles Tun, das nicht aus dem Glauben kommt, ist Sünde.“ Was heißt das für Sie?
- Korinther 6, 12: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient mir zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber es soll mich nichts gefangen nehmen.“ Was bedeutet das für Ihr alltägliches Leben?